Die radikalen Israel-Feinde verlangen ein ganz bestimmtes Wort

Der amerikanische Schriftstellerverband ist wegen Israel völlig zerstritten. Ein wichtiges Festival musste deswegen schon abgesagt werden. Besonders einer Person schlägt regelrecht Hass entgegen. Warum das auch politische Folgen im Trump-Wahljahr hat.

S
chon vor ein paar Jahren hatte der amerikanische PEN-Club ein Problem. Der Vorstand der Autorengilde, zu deren Zielen laut ihrer Charta gehört, jeder Form der Unterdrückung der Meinungsfreiheit entgegenzutreten, hatte 2015 beschlossen, bei ihrem jährlichen festlichen Gala-Diner „Charlie Hebdo“ zu ehren. Ein paar Monate zuvor waren maskierte Mörder in die Redaktion des französischen Satiremagazins eingedrungen und hatten im Namen des Islam zwölf Menschen erschossen. Eigentlich, so sollte man denken, dürfte es mit einer Auszeichnung für „Charlie Hebdo“ kein Problem geben; doch weit gefehlt.

Sechs Mitglieder des amerikanischen PEN-Clubs blieben dem Gala-Diner fern, um gegen die Auszeichnung zu protestieren, 242 unterschrieben einen Protestbrief. Die amerikanischen Autoren verstanden nicht (oder wollten nicht verstehen), dass „Charlie Hebdo“ nicht rechts und rassistisch, sondern eine linke, oft genug linksradikale Publikation war; dass auf den Seiten des Hefts alle Religionen gleichermaßen verhöhnt wurden; dass unflätige Karikaturen nicht nur Mohammed, sondern auch Jesus und Moses darstellten. Im Protestbrief hieß es, „Charlie Hebdo“ habe eine Bevölkerungsgruppe beleidigt, die schon „marginalisiert, umkämpft und zum Opfer gemacht“ worden sei.

Der PEN-Club ließ sich damals nicht beirren. Das Gala-Diner fand im American Museum of Natural History statt, das an jenem Abend von New Yorker Polizisten mit schusssicheren Westen, Helmen und Maschinenpistolen bewacht wurde; und bald darauf war die ganze Affäre vergessen. Doch jetzt hat der amerikanische PEN-Club ein neues Problem, das ihn seine Existenz kosten könnte.

Jedes Jahr hält der Club ein Festival ab, zu dem Autoren aus aller Welt eingeladen werden – die Idee dafür stammte von Salman Rushdie, der kürzlich bei dem mörderischen Angriff eines fanatischen Muslims ein Auge verlor. 2024 wäre das zwanzigjährige Jubiläum des Festivals gewesen. Aber es wird, wie am Nachmittag des 26. April verkündet wurde, nicht stattfinden. Warum? Weil viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer erklärt haben, dass sie nicht teilnehmen und keine der Auszeichnungen des amerikanischen PEN-Clubs annehmen werden.

Nach 40 Statements heillos zerstritten

Begonnen hatte es im Januar: Da beschlossen zwei amerikanische Schriftstellerinnen, dass sie nicht an einer PEN-Veranstaltung in Los Angeles teilnehmen würden, weil der zuvor Gastgeber eines Auftritts der Schauspielerin Mayim Bialik gewesen war. Mayim Bialik ist Zionistin; besonderen Zorn rief hervor, dass sie Israel nicht zu einem Waffenstillstand aufgerufen hatte. Bei ihrem Auftritt war eine Gruppe von Störern rund um die palästinensisch-amerikanische Schriftstellerin Randa Jarrar aufgetreten und wollte wissen, warum der PEN-Club eine Zionistin reden lasse; Randa Jarrar war daraufhin aus dem Saal entfernt worden.

Im März eskalierte der Streit weiter: Eine Gruppe von Autorinnen rund um die bekannte Globalisierungskritikern Naomi Klein warf Israel „Scholastizid“ vor, weil Israel innerhalb von fünf Monaten beinahe hundert Journalisten und weitere hundert Akademiker und Schriftsteller getötet habe. Außerdem monierten Naomi Klein und Co., dass der amerikanische PEN-Club lediglich zu einem Waffenstillstand aufgerufen habe, auf den beide Seiten sich geeinigt hätten, statt einfach Israel dazu aufzufordern, die Waffen zu senken. Vor allem kritisierten die Autorinnen, dass der amerikanische PEN-Club sich von Autoren distanziert habe, die die BDS-Bewegung unterstützen, die einen Boykott aller israelischen Waren und eine Rückkehr arabischer Palästinenser ins israelische Kernland fordert, was das Ende Israels bedeuten würde.

Tatsache ist, dass der amerikanische PEN-Club seit dem 7. Oktober mehr als 40 Statements veröffentlicht hatte, in denen er seine Sorge, seine Bestürzung, seine Empörung über die Lage der palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen und vor allem die Lage palästinensischer Intellektueller zu Ausdruck gebracht hatte. Aber offenbar war dies nicht genug. Denn nun ist der Konflikt zu einem wütenden Streit geworden, in dem keine Zurückhaltung mehr gilt.

„Es gibt Fakten und Fiktionen“

Jennifer Finnley Boylan, die Präsidentin des PEN-Clubs, reagierte am 18. April mit einer Stellungnahme, der man in jeder Zeile das Bemühen anmerkt, der anderen Seite entgegenzukommen. Sie berichtete von einer Reise nach Israel, wo sie in Jerusalem einen palästinensischen Dichter getroffen und in Tel Aviv mit israelischen Schriftstellern gesprochen habe, unter denen sich viele Kritiker der Regierung Netanyahu befunden hätten; sie erzählte von einer Begegnung mit arabischen Schriftstellern in Haifa, die von Gefängnis bedroht seien. Sie warb beinahe flehentlich für Pluralismus und Meinungsfreiheit. Sie nannte den Krieg in Gaza eine „Abscheulichkeit“. Vor dem Wort „Genozid“ aber schreckte sie zurück, und just dieses Wort ist es, das offenbar verlangt wird.

Im neuesten offenen Brief heißt es: „Aus Protest gegen das Versagen, dem Genozid des palästinensischen Volkes ins Auge zu sehen und unsere Kollegen in Gaza zu verteidigen, weisen wir die Ehren, die Ihre Organisation verleiht, zurück.“ Weiter heißt es in dem Brief, die offiziellen Statements des amerikanischen PEN-Clubs zeigten „einen Mangel an proportionaler Empathie und waren oft mit historischer zionistischer Propaganda unter dem Deckmantel der Neutralität durchsetzt. Neutralität ist das Gegenteil von Gerechtigkeit … Unter Schriftstellern mit einem Gewissen gibt es keinen Streit. Es gibt Fakten und Fiktionen. Und Fakt ist, dass Israel einen Genozid gegen das palästinensische Volk durchführt.“

Offen wird nun auch der Kopf von Suzanne Nossel gefordert, der Vorstandsvorsitzenden des amerikanischen PEN-Clubs. In dem offenen Brief heißt es, ihr „Engagement für den Zionismus, die Islamophobie und imperiale Kriege im Nahen Osten sei gut dokumentiert“.

Natürlich kann keine Rede davon sein, es sei „Fakt“, dass Israel einen Genozid begeht. Joan Donoghue, die frühere Präsidentin des Internationalen Strafgerichtshofes, hat gerade klargestellt, das Gericht habe keineswegs davon gesprochen, es sei „wahrscheinlich“, dass Israel einen Völkermord begehe, auch wenn dies von vielen so dargestellt wurde. Auch die Opferzahlen des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen sprechen eine andere Sprache: 33,000 Tote in einem halben Jahr legen nicht nahe, dass die israelischen Streitkräfte wirklich vorhaben, das palästinensische Volk zu vernichten.

Die einzige Geschäftsgrundlage

Es ist schwer zu sehen, wie nach diesen verbalen Angriffen das Gala-Diner des amerikanischen PEN-Clubs, das für den Mai geplant ist, über die Runden gehen soll. Es ist auch schwer zu sehen, welche Zukunft der Club insgesamt noch hat. Die eingangs zitierte Charta verpflichtet den PEN-Club nur auf das Eintreten für die Meinungsfreiheit, dieses allerdings unbedingt; von anderen politischen Themen, für die sich der PEN-Club einsetzen soll, ist nicht die Rede, nicht vom Klimawandel, nicht vom Wohlfahrtsstaat, nicht von der Unterstützung der bzw. Gegnerschaft zur Nato.

Und das kann auch nicht anders sein: Schriftsteller haben alle möglichen (und unmöglichen) politischen Haltungen, vom Anarchismus bis zum Ultrakonservatismus, die Meinungsfreiheit ist die einzige Geschäftsgrundlage, auf die sich im Zweifel die meisten einigen können. Wenn nun die Verurteilung Israels und der Rausschmiss ihrer jüdischen Vorstandsvorsitzenden wegen Verdachts auf Zionismus zur Geschäftsgrundlage werden soll, werden viele, vielleicht sogar die meisten Mitglieder des amerikanischen PEN-Clubs diesen verlassen.

Nun kann man sagen: Wen kümmert’s? Schriftsteller sind Eigenbrötler, eigentlich brauchen sie keine Vereine, sondern wollen nur in Ruhe gelassen werden. Aber der amerikanische PEN-Club erfüllt eine wichtige soziale Aufgabe: Er setzt sich für Autoren ein, die aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen, er besorgt verfolgten Autoren Visa, er sorgt dafür, dass die schwierige und unterbezahlte Arbeit von Übersetzern Anerkennung erfährt. Es wäre auch nicht schlecht, für den Fall, dass Trump an die Macht zurückkehrt, einen Verein zu haben, der Kritiker des Präsidenten verteidigt, wenn er seine Drohung wahrmacht, sich an den „Feinden des Volkes“ zu rächen. Aber es ist durchaus vorstellbar, dass der amerikanische PEN-Club im November schon nicht mehr existiert.

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