Lernen von den Altmeistern der Börse

Lernen von den Altmeistern der Börse

Geldanlage in der Hochzinsära

Die erfahrensten Fondsmanager wie Jens Ehrhardt haben schon die letzte Inflationsdekade erlebt. Sie glauben nicht an rasch sinkende Zinsen, sondern stellen ihr Portfolio auf eine neue Ära hoher Zinsen und Schulden sowie niedrigen Wachstums ein. Hier erläutern sie ihre Strategie.

Zurück in die Zukunft: Jens Ehrhardt, hier im Januar beim Fondskongress in Mannheim, hat auf den Partys seines Kunden Gunter Sachs in Saint-Tropez erlebt, dass eine Hochzinsära wie die der 70er Jahre nicht freudlos sein muss

Seinen wichtigsten Kunden traf Jens Ehrhardt (81) oft in Saint-Tropez. Der deutsche Unternehmenserbe Gunter Sachs (Fichtel & Sachs, Opel) hatte in den 60er Jahren dort das Anwesen „La Capilla“ mit privatem Strandzugang gekauft, nachdem seine spätere Filmstargattin Brigitte Bardot (89; „Und Gott erschuf die Frau“) und die Schriftstellerin Françoise Sagan („Bonjour tristesse“) das Fischerdörfchen berühmt gemacht hatten. Sachs lud seinen Vermögensverwalter Ehrhardt zu mancher Party ein, auf Tuchfühlung mit Künstlern wie Andy Warhol oder SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein.

Ehrhardt besuchte Sachs auch in dessen von Künstlern wie Roy Lichtenstein gestalteter Turmwohnung im „Palace Hotel“ von St. Moritz und in der kalifornischen Filmstaroase Palm Springs, nachdem er 1974 seine eigene Vermögensverwaltung gegründet hatte. Ihre Gespräche gingen über Finanzdinge hinaus. „Er war ja auch Fotograf“, sagt Ehrhardt, dessen Vater Alfred als bedeutender Avantgardefotograf und Dokumentarfilmer gilt . Ehrhardt und Sachs duzten sich, was damals noch etwas bedeutete. „Gunter hat mir alles erzählt“, sagt Ehrhardt. „Aber wir waren nie auf Augenhöhe.“ Eine unüberwindliche Distanz trennte den unerhört Vermögenden, der mit Mitte 20 seinen Vater (Suizid) und seine erste Frau (wegen eines Narkosefehlers) verloren hatte, von den meisten anderen Menschen. „Er war ein einsamer Bursche.“

Die Verbindung dauerte mehr als vier Jahrzehnte. Letztmals besuchte Ehrhardt seinen berühmten Kunden im Frühjahr 2011, eine Woche vor dessen Freitod.

Der Vermögensverwalter erwarb das Vertrauen von Sachs in turbulenten Zeiten, aus denen Anleger gerade heute wieder viel lernen können. Ende der 60er Jahre herrschte überbordende Begeisterung für die besten US-Unternehmen, die sogenannten Nifty Fifty. Zu der Gruppe gezählt wurden Unternehmen wie Avon, Black & Decker, Coca-Cola, Eastman Kodak, McDonald’s, Polaroid, Schlumberger, Texas Instruments und Xerox. Die Bewertungen der Aktien stiegen in unangemessene Höhen. Anfang der 70er Jahre brachen die Kurse um mehr als 80 Prozent ein.

Die 1970er wurden zur verlorenen Dekade für Aktionäre. Auch Anleihen erlitten teils hohe Kurseinbrüche. Ein Krieg im Nahen Osten und der Ölpreisschock ließen die Inflation jahrelang stark steigen. Die US-Zinsen kletterten unaufhörlich von gut 3 Prozent im Jahr 1971 auf mehr als 20 Prozent im Jahr 1981. Mit den hohen Zinsen besiegte US-Notenbankchef Paul Volcker schließlich die Inflation. Es begann eine Ära der tendenziell fallenden Zinsen, die vier Jahrzehnte lang anhalten sollte.

Seit der Zinswende des Jahres 2022 hat eine neue Ära begonnen, sagt Ehrhardt. „Wir haben einen neuen Trend: Die Zinsen werden auf Jahre hinaus eher hoch bleiben oder steigen.“ Der Gründer von DJE Kapital in Pullach bei München gehört zu den wenigen Altmeistern, die Erfahrung mit solch einem Finanzmarktumfeld haben.

Krieg, Inflation und anscheinend unangreifbare US-Großunternehmen: Ehrhardt hat das alles schon einmal erlebt, ebenso wie einige wenige noch aktive Börsenveteranen. Ihre Erfahrungen helfen dabei, das Vermögen in der neuen Finanzmarktepoche nach der Zinswende zu schützen und zu mehren. Altmeisterinnen und Altmeister der Geldanlage wie Anja Mikus (65) vom deutschen Staatsfonds Kenfo, Bert Flossbach (62) von Flossbach von Storch und Hendrik Leber (66) von Acatis können aus vielen Jahrzehnten Erfahrung die aktuelle Epochenwende einordnen. Einige, wie Klaus Kaldemorgen (70) von der Deutsche-Bank-Tochter DWS, Peter Huber (72) von Taunus Trust und eben Ehrhardt, haben schon die letzte Hochzinsphase bis Anfang der 80er Jahre als Geldverwalter bewältigt. Exklusiv im manager magazin beschreiben sie, wie sie aus Anlegersicht mit der Epochenwende umgehen.

1. Neue Ära hoher Zinsen

Wer wie Klaus Kaldemorgen schon 1982 als Fondsmanager startete, als der US-Leitzins weit über 10 Prozent betrug, kann die Folgen von Inflation und Hochzinsen aus dem eigenen Erleben einschätzen, nicht nur aus der Lektüre von wirtschaftshistorischen Büchern. Sein Kollege Peter Huber war sogar schon 1978 als Wertpapieranalyst beim Vermögensverwalter Schröder, Münchmeyer, Hengst tätig und hat die Auswirkungen der Leitzinserhöhungen auf mehr als 20 Prozent für die Kundendepots gesehen.

Die Veteranen von Ölkrise und Inflation sind sich einig: Die Zinswende des Jahres 2022 ist ein Einschnitt und markiert den Beginn einer neuen Ära. Die erstaunlich lange Zeit des billigen Geldes sei erst einmal vorbei, sagt auch Anja Mikus: „Das betrifft alle Assetklassen, direkt oder indirekt, was häufig unterschätzt wird.“

Kaum ein erfahrener Kapitalverwalter glaubt, dass die Zinsen rasch zurück gen ein Prozent sinken, obwohl die Trader am Markt für Terminkontrakte genau diese Entwicklung einpreisen: Auf fünf bis sechs Zinssenkungen noch 2024 wird von den Futures-Händlern spekuliert. Die erfahrenen Vermögensverwalter halten das für Wunschdenken.

Diese Skepsis bezüglich baldiger Erleichterungen bei der Zinslast teilt Axel Weber (66), ehemaliger Präsident der Bundesbank und später des Verwaltungsrats der Großbank UBS. „Ich erwarte zwar auch, dass die Zinsen fallen“, sagt der Ex-Notenbanker, „aber nicht auf ein Prozent, sondern um ein Prozent.“ Das sei schon ein Unterschied, da die US-Zinsen derzeit ja bei gut 5 Prozent lägen. Kurz: „Die Zinsen werden einige Zeit nahe dem aktuellen Niveau bleiben“, prophezeite er Ende Januar.

2. Maues Wachstum, hohe Schulden

Die neue Ära ist nicht nur durch teures Fremdkapital gekennzeichnet, sondern bringt weitere Herausforderungen für Anlegerinnen und Anleger. „Die nächste Dekade ist eine der hohen Staatsverschuldung und der hohen Steuern“, sagt Weber voraus. Das strukturelle Wachstumspotenzial Europas veranschlagt er bei einem Prozent.

Um die blutleere Konjunktur zu stimulieren, erhöhen Regierungen wie zuletzt in den USA die Haushaltsdefizite (dort 2023 auf 6,3 Prozent der Wirtschaftsleistung). Das Staatsdoping war einer der Hauptfaktoren, warum die Rezession 2023 ausblieb, trotz der stark gestiegenen Zinsen.

Für Vermögensverwalter Ehrhardt ist die Frage, „wie lange es möglich ist, so stark fiskalisch zu stimulieren“, bevor die Finanzierung der wachsenden Staatsschulden zum Problem wird. Zweifel an der langfristigen Tragfähigkeit gibt es eh schon. „Bei der Staatsverschuldung ist 100 das neue 60“, sagt Ex-Bundesbanker Weber. Gemessen in Prozent der Wirtschaftsleistung, versteht sich. Im EU-Vertrag von Maastricht galten 60 Prozent als Richtmaß für gesunde Staatsfinanzen.

Hohe Zinsen, hohe Staatsschulden, niedriges Wachstum: Diese Konstellation hat Folgen für die Anlagestrategie. Die gestandenen Investmentstrategen stellen ihre Depotaufteilung und Titelauswahl darauf ein. Dabei berücksichtigen sie technologische Durchbrüche wie bei der künstlichen Intelligenz und das Erstarken der sieben großen (wenn nicht gar glorreichen) US-Techkonzerne – allerdings nicht, ohne das Risikomanagement dabei zu beachten. Denn die Altmeister haben gespürt und nicht nur gelesen, wie schmerzhaft die zu einseitige Aufteilung des Vermögens werden kann.

3. Aktien kurzfristig gefährdet, langfristig top

Vor 50 Jahren hat sich Jens Ehrhardt nicht nur auf den Partys von Gunter Sachs in Saint-Tropez und St. Moritz herumgetrieben. Im Jahr 1974 veröffentlichte er seine Doktorarbeit mit dem Titel „Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt unter besonderer Berücksichtigung monetärer Determinanten“. Dem Praktiker war aufgefallen, dass es besonders die Geldpolitik der Notenbanken war, die den Wertpapierkursen die Richtung vorgab. „Damals gab es kaum Literatur über die Bewertung von Aktien aus dem Blickwinkel von Zinsen und Notenbankpolitik“, sagt Ehrhardt beim Gespräch im „Café Dolceamaro“ in Mannheim Ende Januar. Nebenan im Kongresszentrum trifft jedes Jahr die Elite der Fondsmanagerinnen und Fondsmanger auf die Vertriebsprofis der Republik, beim Kongress des Fachverlags Fonds professionell.

Der DJE-Gründer hält seit 25 Jahren Vorträge auf der großen Bühne, auf dem Weg vom Kongresszentrum zum Café wird der 81-Jährige mehrfach um Selfies gebeten. Aus dem Erforscher wissenschaftlich obskurer Randgebiete der Ökonomie ist ein Branchenstar geworden.

DJE Kapital verwaltet mehr als 15 Milliarden Euro. Das Flaggschiff FMM-Fonds (der Name steht für fundamentale, markttechnische und eben auch monetäre Analyse) hat den Weltaktienindex seit dem Start 1987 weit hinter sich gelassen.

„Wirtschaft und Märkte haben Kapital durch die Hintertür erhalten.“

Jens Ehrhardt

Es widerspricht Ehrhardts Erfahrung, dass die US-Konjunktur trotz vieler Zinserhöhungen der US-Notenbank ungebremst weiter wachsen kann und die Aktienkurse immer weiter steigt. Wenn Kredite teurer und das Geld für die Börse knapp wurde, hatte das fast immer eine Rezession und fallende Kurse zur Folge. Seit 2022 hat die US-Notenbank die Zinsen außerdem besonders stark und schnell angehoben.

Die Erklärung des Konjunktur- und Börsenwunders: „Wirtschaft und Märkte haben Kapital durch die Hintertür erhalten“, sagt Ehrhardt. Denn während die Federal Reserve ihre Zinsen anhob und zusätzlich durch Anleiheverkäufe („Quantitative Tightning“) die Liquidität verminderte, zogen Geldmarktfonds in ungefähr gleichem Umfang Einlagen von der Notenbank ab und speisten diese wieder in die Märkte ein. „Das ist der Grund, warum die angekündigte Bremsung durch die Geldpolitik 2023 praktisch gar nicht stattfand.“ Dazu kamen unterstützend die hohen, kreditfinanzierten Staatsausgaben der Regierung von US-Präsident Joe Biden (81).

Diese Liquiditätsquellen für die Börse kämen nun zum Erliegen, weil die Geldmarktfonds ihre Einlagen weitgehend bereits von der Notenbank zurückgeholt haben (und die Republikaner im US-Kongress weitere schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme blockieren).

Die Konsequenz: „Aktien bieten derzeit kaum bessere Gewinnrenditen als Anleihen, deshalb müssten Anleihen eigentlich besser als Aktien abschneiden“, warnt Ehrhardt.

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Immer weiter kaufen: Anja Mikus vom deutschen Staatsfonds Kenfo bekam 1990 den besten Rat, was bei steigenden Zinsen zu tun ist

Stärkere Kurseinbrüche wären willkommene Kaufgelegenheiten für Anleger, so wie noch stets in den vergangenen Jahrzehnten, sagt Anja Mikus. Die Gründungschefin des Berliner Staatsfonds Kenfo verwaltet rund 23,5 Milliarden Euro, die zur sicheren Verwahrung des deutschen Atommülls vorgesehen sind. Ausreichend Fachwissen dazu bringt sie mit: Schon 1988 hatte Mikus als Wertpapieranalystin und Fondsmanagerin bei der Allianz angefangen und sich danach zur Investmentchefin dieser Kapitalanlagegesellschaft und später bei Union Investment hochgearbeitet. Wenn sie eines gelernt hat, dann ist es, dass die Panik der Anlegermasse die größten Chancen bietet.

Kurz nach ihrem Start als Anleihefondsverwalterin bekam Mikus ein Problem. Die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen stieg von gut 6 auf mehr als 9 Prozent – mit großen Verlusten für alte Anleihen mit niedrigerer Verzinsung. Die deutsche Wiedervereinigung belastete den Staatshaushalt, dann brach der Krieg um Kuwait aus. „Alle hatten Angst, dass die Zinsen noch weiter steigen und die Anleihekurse noch tiefer fallen“, sagt Mikus.

„Man muss in Konjunkturzyklen denken, nicht in Jahren – und daran glauben, dass die Wirtschaft sich immer wieder erholt.“

Anja Mikus

Ihr damaliger Chef bestärkte sie in ihrem Kurs, immer weiter zu investieren. Bonds mit 20 Jahren Laufzeit sicherten dem Fonds die hohen Zinsen und brachten Kursgewinne, als die Lage am Golf sich entspannte. „Wir hatten uns gedacht: Was soll denn noch passieren, dass die Zinsen weiter steigen?“, sagt Mikus.

So hält sie es seither immer, wenn die große Zahl der Investoren in Panik verfällt. „Man muss in Konjunkturzyklen denken, nicht in einzelnen Jahren“, rät sie. „Die Wirtschaft findet immer wieder auf den Wachstumspfad zurück.“

Die Staatsfondschefin hat den drei Jahre dauernden Dotcom-Crash der frühen 2000er erlebt, als der Dax um 70 Prozent abstürzte. Seitdem sagt sie nicht mehr, dass Aktienanleger auf Sicht von zehn Jahren gar nicht verlieren können. „Und doch wäre danach der beste Zeitpunkt gewesen, um Aktien zu kaufen.“

Selbst wenn ein Kursrutsch nach der aktuellen Zinserhöhungswelle ausbleiben sollte, sind die Aussichten für Aktien langfristig gut, sagt Bert Flossbach, Co-Gründer des Vermögensverwalters Flossbach von Storch in Köln: „7 Prozent Rendite pro Jahr mit Aktien sind für die kommenden zehn Jahre realistisch.“ US-Techwerte seien zwar hoch bewertet, viele andere Unternehmen jedoch deutlich günstiger. „Deshalb fühle ich mich wohl mit der Prognose, die der langfristigen historischen Aktienrendite entspricht.“ Für Anleihen erwartet er nur halb so viel Rendite.

4. Die glorreichen sieben

Flossbachs Multiple-Opportunities-Großfonds ist bei Amazon, Alphabet, Apple und Microsoft investiert, mit insgesamt rund 8 Prozent des Fondskapitals. Beim Weltaktienindex von MSCI machten die glorreichen sieben (Apple, Microsoft, Amazon, Nvidia, Alphabet, Meta und Tesla) nach der Kursrallye im Jahr 2023 dagegen schon fast 19 Prozent des Börsenwerts aus. Beim US-Leitindex S&P 500 sind es sogar rund 30 Prozent. Im Jahr 2023 hatten die Glorreichen ihre Kurse im Durchschnitt mehr als verdoppelt.

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Techaffin: DWS-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen investiert in die glorreichen sieben – aber weniger als ein typischer ETF-Anleger

DWS-Urgestein Kaldemorgen hat den Anteil der Glorreichen in seinem Mischfonds ebenso wie Flossbach auf rund 9 Prozent begrenzt. „Die großen Techkonzerne werden unser Leben auch im kommenden Jahrzehnt prägen“, sagt er. Während andere US-Unternehmen im Durchschnitt um 5 Prozent wüchsen, böten die glorreichen sieben 15 Prozent. „Dieses Wachstum und die Tatsache, das jeder dritte neu investierte Dollar in eines dieser Unternehmen fließt, sind schon Argumente, dort anzulegen.“ Doch auch im Western „Die glorreichen Sieben“, von denen der Sammelname dieser Startitel inspiriert ist, seien am Ende nicht mehr alle der Cowboys am Leben. „In diesen Aktien stecken Risiken, die wir diversifizieren müssen“, warnt Kaldemorgen. Aus Gründen der Risikostreuung hält er einen viel geringeren Anteil der sieben Techstars im Vergleich zum Weltaktienindex.

5. Die KI-Komponente

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos waren sich die Unternehmensführer und Politiker in einem einig: Die generative künstliche Intelligenz ist der Einstieg in die nächste industrielle Revolution. Die Altmeisterinnen und Altmeister der Geldanlage teilen diese Ansicht.

„Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, Geschäftsmodelle signifikant zu verändern“, sagt Staatsfondschefin Mikus. Die Technologie könne einen Produktivitätsschub auslösen, prophezeit Fondsmanager Flossbach. Auch wenn viele der glorreichen Sieben hier am stärksten profitieren, allen voran Chiphersteller Nvidia , scheint das Kurspotenzial zu einem guten Teil ausgereizt. „Bei AMD und Nvidia ist bereits viel eingepreist“, warnt der Gründer des mehr als 70 Milliarden Euro schweren Vermögensverwalters Flossbach von Storch.

Es könnte sich lohnen, auf jene Unternehmen zu setzen, die besonders große Effizienzgewinne erreichen. „Nach den großen Techwerten werden die Unternehmen profitieren, die künstliche Intelligenz besonders gut einsetzen“, sagt Mikus voraus.

6. Das Anleihenkalkül

Was früher sicher war, ist es nicht mehr in der neuen Hochzinsära. Bei steigenden Zinsen werden vermeintlich risikolose Staatsanleihen zu dauerhaften Verlustbringern – obwohl die Aufsichtsbehörden diese für so ungefährdet halten, dass Versicherer oder Banken nicht einmal Eigenkapital als Schutz vor Verlusten vorhalten müssen, wenn sie die Staatsbonds kaufen. „Staatsanleihen mit hoher Bonität haben sogar auf Sicht von fünf Jahren Geld verloren“, sagt Mikus. Auch in der Kategorie „Staatsanleihen Euro“ beim Research-Haus Morningstar sind sehr viele Fonds auf Fünfjahressicht im Minus. Die Schlusslichter wie der „LBBW Opti Return“ haben über fünf Jahre mehr als ein Viertel ihres Kapitals verbrannt. Der LBBW-Fonds hat sogar seit Auflage im Jahr 2007 mehr als 20 Prozent Verlust gemacht.

Wer neu investiert zu den bereits gestiegenen Zinsen, kann jedoch wieder Geld verdienen mit Anleihen, wenn er ein gewisses Risiko in Kauf nimmt. Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bieten aktuell zwar nur 2,2 Prozent Rendite, nach Einberechnung der Inflation verlieren Anleger hier also Kaufkraft. „Unternehmensanleihen sind dagegen gut genug zum Überleben, die Rendite ist nicht so schlecht“, sagt Bert Flossbach. Der Indexfonds „iShares Core Euro Corp Bond“ verspricht aktuell eine Verzinsung von 3,7 Prozent. Das entspricht der deutschen Inflationsrate vom Dezember.

„Bei Hybridanleihen mit 6 Prozent Rendite wird es interessanter“, sagt Flossbach. Hybridanleihen weisen Merkmale von Eigenkapital auf, im Insolvenzfall drohen höhere Verluste als bei herkömmlichen Anleihen. Deshalb ist die Auswahl der Unternehmen hier noch wichtiger. Der Fonds „Bantleon Select Corporate Hybrids“, der zwei Drittel des Kapitals weltweit in Nachranganleihen von Unternehmen außerhalb der Finanzbranche mit guter Zahlungsfähigkeit anlegt, hat eine Durchschnittsrendite von gut 5 Prozent im Portfolio.

7. Der US-Hafen

Trotz aller politischen Unsicherheit und der Differenzen mit China gelten die Vereinigten Staaten den erfahrenen Fondsmanagern weiter als Stabilitätsanker der Weltwirtschaft. Dabei denken sie besonders an die US-Währung. „Der Dollar bleibt die einzige Weltwährung, eine Alternative in ausreichender Größe als Reservewährung für andere Staaten und Notenbanken ist nicht in Sicht“, sagt Jens Ehrhardt.

Klaus Kaldemorgen rät dazu, „den Dollar als defensives Element dazuzunehmen“ in das Anlegerportfolio. Und das gerade weil zu befürchten stehe, dass Donald Trump (77) erneut Präsident werde, was weltweit viel Unsicherheit auslösen würde. „Bei Unsicherheit hat sich der Dollar stets bewährt“, sagt Kaldemorgen.

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Hat auch schon den ein oder anderen desaströsen US-Präsidenten erlebt: Fondsmanager Hendrik Leber von Acatis

„An den USA führt kein Weg vorbei“, sekundiert Acatis-Gründer Leber. „Das Land hat schon den einen oder anderen desaströsen Präsidenten überlebt.“ Dazu sei es von Rohstofflieferungen weitgehend unabhängig und von geopolitischen Problemen kaum betroffen. Hinzu komme ein gigantisches Konjunkturprogramm, das die teilweise marode Infrastruktur auf Vordermann bringen soll.

Die Bedeutung der US-Börsen ist über die Jahre noch gewachsen, sagt Christoph Bruns (56), Gründer der deutschen Fondsgesellschaft Loys, der seit mehr als 20 Jahren in Chicago lebt. Der US-Anteil am Weltaktienindex MSCI All Country World beträgt 62 Prozent. Die Konsequenz für Bruns: „Was sollen wir lange herumanalysieren in Europa und Asien – kümmern wir uns lieber um den Hund.“ Anstatt um den Schwanz.

Die Krisenerprobten meinen: Trump wäre zwar eine Katastrophe für die Weltpolitik, aber nicht unbedingt für die Börse, jedenfalls kurzfristig. „Die Republikaner werden Steuern senken – egal ob sie es sich leisten können oder nicht“, sagt Ex-Bundesbankpräsident Weber. Das würde höhere Schulden bedeuten – kurzfristig aber auch höhere Unternehmensgewinne.

8. Japan schlägt China

Bei dem kleineren Teil des Kapitals, das die Altmeister in Asien investieren, hat es einen klaren Favoritenwechsel gegeben. Weil die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping (70) immer stärker in das Wirtschaftsgeschehen eingreift und die Immobilienkrise tobt, halten die erfahrenen Anleger dort Abstand. „Ich halte China nicht für investierbar“, sagt Klaus Kaldemorgen, wegen des großen staatlichen Einflusses auf die Unternehmen.

„Japan ist unsere größte Position, mit Abstand.“

Peter Huber

Im starken Gegensatz dazu glauben die Leidgeprüften daran, dass Japan seine mehr als 30 Jahre währende Krise überwunden hat. Sie alle haben nach der japanischen Spekulationsblase um Aktien und Immobilien den Crash von 1990 miterlebt. Der Leitindex Nikkei steht noch immer unterhalb seines Höchststands von 1990. Doch 2023 war der Nikkei der stärkste Leitindex eines großen Industrielandes mit 28 Prozent Plus.

„Japan ist unsere größte Position, mit Abstand“, sagt Peter Huber. Noch im Dezember lag der Anteil von 10,3 Prozent hinter seiner Deutschland-Position von 11 Prozent im „Huber Portfolio“-Fonds, er hat also wohl deutlich aufgestockt in Fernost.

„Japan wirkt sehr preiswert“, sagt auch Jens Ehrhardt. Das ist keine Eigenschaft, die für seinen verstorbenen Kunden Gunter Sachs immer ausschlaggebend war bei Kaufentscheidungen. Für Anleger ist es jedoch eine entscheidende Qualität – und sorgt für einen Lichtblick aus dem Osten in der anspruchsvollen neuen Hochzinsära.

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